Interview mit André Schulze
Der Dresdner Maler André Schulze (geb. 1982), Meisterschüler der HfBK (bei C Macketanz), belebt als ehemaliger Gemälderestaurator historische Meisterwerke neu. Mit technischer Brillanz und feinsinnigem Humor seziert und transformiert er Ikonen wie Caspar David Friedrich in überraschende Gegenwartsnarrative. Seine Malerei, ein Spiel aus Zitaten und Ironie, schafft Bildwelten von seltener Tiefe, die zur Entdeckung zwischen den Zeilen einladen.
Du hast dir die Gemälderestaurierung in den letzten Jahren selbst beigebracht. Das bedeutet, du kennst das Innenleben der klassischen Malerei, die Schichtungen, Pigmente und Fehler der Alten Meister, sehr gut. Wie beeinflusst dieses Wissen deine eigene Malerei, und siehst du diese Transformation und Neuinterpretation als eine Form der tiefsten Ehrerbietung an die Tradition?
André: Ich komme nicht aus der Restaurierung und bin dann Künstler geworden, sondern genau umgekehrt. Ich war schon immer Künstler, und die Restaurierung kam zwangsläufig durch die Beschäftigung mit den alten Gemälden hinzu. Viele Bilder, die ich kaufe, sind in einem sehr schlechten Zustand. Da es mir wichtig war, diese Bilder für die Nachwelt zu erhalten, habe ich mir über die Jahre das Handwerk der Gemälderestaurierung selbst beigebracht. Die Restaurierung ist also ein Handwerk, das ich brauche, um meine Kunst zu machen.
Erzähl uns kurz, wie du zur Kunst gekommen bist.
André: Ich glaube, ich mache schon immer Kunst. Richtig bewusst habe ich mit 12, 13 Jahren mit Graffiti angefangen, Mitte der 90er. Bis Anfang 20 war ich ausschließlich in der Graffiti-Szene unterwegs. Dann kam das Interesse für Kunst und Grafikdesign, woraus der Wunsch nach einem Kunststudium entstand. Ich habe dann von 2006 bis 2011 Kunst studiert.

Du reist durch die Kunstgeschichte, indem du die altmeisterlichen Gemälde nimmst und sie neu interpretierst. Was bedeutet diese Transformation für dich und wie gehst du mit diesem reichen Erbe um?
André: Es tut mir oft leid, über die Bilder zu malen, weil ich sie so toll finde. Die Künstler, die sie geschaffen haben, haben wirklich geniale Bilder gemalt. Das Dilemma dieser Bilder ist aber, dass sie heute nicht mehr gefragt sind. Es ist erschreckend, wie niedrig die Preise für Gemälde aus dem 19. Jahrhundert oder älter sind. Es gibt eine riesige Fülle an Bildern, die niemand mehr haben will. Mein Ansatz war: Was kann ich als Künstler machen, um einen Twist in unsere heutige Zeit zu bringen, damit sich jemand, der die Bilder mag, aber dem sie zu altbacken sind, sie ins Wohnzimmer hängen würde? Für mich ist es spannend, die alte Welt mit unserer neuen Welt zu verknüpfen.
Du baust eine emotionale Brücke zum Betrachter. Dabei nutzt du oft Humor und Ironie. Kannst du darüber noch etwas erzählen?
André: In den letzten Jahren habe ich zwei Herangehensweisen erarbeitet. Die eine ist, ich verändere das Bild inhaltlich: Ich füge etwas hinzu, was vorher nicht da war – jemand hält ein Smartphone statt eines Buches, oder im Hintergrund fährt ein Auto. Die zweite Ebene ist konzeptueller: Der Bildinhalt ist nicht so wichtig; ich verändere das Bild als Objekt, indem ich zum Beispiel flächige Teile übermale, aber immer noch ein Großteil des ursprünglichen Bildes sichtbar bleibt.
Was möchtest du damit auslösen? Geht es dir darum, einen Diskurs über die Kunstgeschichte anzuregen, oder darum, etwas Heutiges groß zu machen, wie bei den berühmten Werken von Caspar David Friedrich?
André: Mir geht es immer darum, dieses alte Bild mit etwas aus unserer heutigen Zeit zu verknüpfen und etwas Heutiges groß zu machen. Zum Beispiel verpixel ich ein Blumenbild und denke: Was passiert, wenn ich das Gleiche mit einem Caspar David Friedrich mache? Wie wirkt das? Ich versuche immer, etwas aus unserer heutigen Zeit hinzuzufügen – sei es verpixeln, farblich verfremden oder etwas Witziges hinzuzumalen. Ich schaue immer, bei welchem Bild welche Idee am besten funktioniert. Manchmal habe ich ein Bild und suche die passende Idee, manchmal habe ich eine tolle Idee und suche das Bild.

Was inspiriert dich? Wo schöpfst du diese Ideen her?
André: Ganz viel Social Media und mit offenen Augen durch die Welt gehen. Manchmal entdecke ich eine Reklame oder ein Zeitungsfoto und denke: Was passiert, wenn man diese Bildbearbeitung jetzt mit einem alten Gemälde macht? Ich schaue viel aus dem Grafikdesign und lasse mich von anderen Künstlern inspirieren. Für mich ist der Reiz, trendige Themen oder zeitgenössische Trends in diese alte Welt zu übertragen, um herauszufinden, was mit einem Bild passiert, wenn etwas ganz Neues dazukommt.
Du hast zwei Serien, die Vintage-Serie (Malerei auf bestehenden Bildern) und die Contemporary-Serie (Malerei auf weißer Leinwand). Was ist die Brücke, die diese thematische Vielfalt für dich zusammenhält?
André: Ich würde sagen, es ist der Humor, die Ironie und der Witz. Ich möchte etwas Positives vermitteln, Freude an der Kreativität und Spaß. Ich mag es, geheime Botschaften im Bild zu verstecken und nicht zu ernst zu sein. Gerade meine Architekturbilder aus der Contemporary-Serie wurden oft tiefgründiger interpretiert, als sie gemeint waren. Mir ging es dort oft um die Freude am Malen und am Verstecken kleiner Hinweise. Ich hoffe, die Betrachter erkennen den Zusammenhalt der Bilder und verstehen, woher ich komme. Die Vintage-Bilder sind viel freier von der Idee her, die Architekturbilder sind das, was mich lange beschäftigt hat.
Das sind zwei ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Wir sind gespannt, was die Betrachter sagen. Vielen Dank André!
Aufgezeichnet am 31.10.2025
